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barocke Prachtbauten & -Strassen

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Bayreuth – Friedrichstraße 2

VOM LIEBHARDT-PALAIS ZU STEINGRAEBER & SÖHNE – Ein Prominenter Auftakt zur Prachtstraße

Ecke Sophienstraße-Kanzleistraße stand seit 1378 der Fronhof und seit 1730 das von Markgraf Georg Friedrich Karl (1726-1735) errichtete „Neue Tor“. 1752 war es schon nicht mehr neu und fiel, samt einem Stück Stadtmauer, den Stadterweiterungsplänen seines baufreudigen Sohnes Markgraf Friedrich (1735-1763) zum Opfer, der es ans Ende der Friedrichstraße versetzte. Daher konnte sich Johann Sebastian Liebhardt (1708-1777) schon 1753/1754 von den Hofarchitekten Joseph Saint-Pierre (der im gleichen Jahr starb) und Carl Philipp Gontard dieses prachtvolle Palais errichten lassen, erst den zweigeschossigen Mitteltrakt mit dem rechten Torflügel und Eckpavillon, zwei Jahre später auch das linke Pendant dazu. Er wollte es ursprünglich dem Markgrafen als Gesandtenhaus überlassen, bewohnte selber seit 1753 erst einmal ein Haus in der Dammallee. Auf dem Dreiecksgiebel am Zwerchhaus über dem Hauptportal erkennen Sie eine Rocaille-Kartusche mit dem Liebhardt’schen Monogramm JSL und darunter die Jahreszahl 1754. Die Umrahmung der Eingänge, vor allem rechts die aufwendig geschnitzten Torflügel, sind für Privatbauten ungewöhnlich prunkvoll.

 

Hofkämmerer Johann Sebastian Liebhardt

Liebhardt war Geheimer Kammerdiener und Geheimkämmerer von Markgraf Friedrich, aber auch von Haus aus vermögend. Sein Vater, Pulverinspektor auf der Plassenburg, erwarb sich 1712 von Markgraf Georg Wilhelm (1712-1726) die Kulmbacher Pulvermühle und Rechte am Salpeterabbau. Sohn Johann Sebastian, seine Schwester und sein Stiefbruder erbten dieses einträgliche Geschäft, das das markgräfliche Militär mit Schießpulver versorgte. Er selber durchlief eine militärische Ausbildung und Karriere. Als General war er später Oberinspektor der Hochfürstlichen Güter Monplaisir (Eremitage) und Aichig, da Markgraf Friedrich bei ihm Kredit aufnahm und so bei ihm „mit Zins und Zinseszins in der Kreide stand“, bekam er Baugrund und Steinmaterial der eingestürzten Stadtmauer geschenkt, 1764 zu günstigen Bedingungen auch das Schloss in Laineck. Er war seit 1741 Mitglied der von Markgraf Friedrich begründeten Schlossloge sowie der Stadtloge, also Freimaurer.

Das Geheimnis der vier Sandsteinfiguren

Die Balustraden der Verbindungsbauten rechts und links vom Mitteltrakt werden von steinernen Vasen und je zwei weiblichen Sandsteinfiguren gekrönt. Diese werden dem Bildhauer Johann Schnegg aus Tirol zugeschrieben, von dem auch der einsame Sokrates im Park der Eremitage stammt. Franz Simon Meyer hat ihre Bedeutung entschlüsselt, denn man muss schon sehr genau hinsehen, um die 4 antiken (und später christianisierten) Kardinaltugenden zu erkennen. Wir begegnen ihnen zeitlich etwas früher auch als Attika-Figuren an der Spitalkirche (1748-1750, dort von Hofbildhauer Johann Gabriel Räntz) und später wieder am Ellrodt’schen Gartenportikus (1759) ein paar Schritte weiter in der Friedrichstraße 7. Hier sind es von links nach rechts – stets von einem Kind begleitet – die Mäßigkeit mit Schnuller (temperantia), die Gerechtigkeit mit Hund (justitia), die Klugheit mit Spiegel und Schlange (prudentia), die Tapferkeit mit Säule (fortitudo)

Wappenkunde   Historischer Firmensitz

Die Wappen über dem rechten Hoftor sind eine Wissenschaft für sich und stammen schon nicht mehr aus dem Barock. Die Wappenkartusche auf der Attika über der Hofeinfahrt wird von Löwen gehalten und präsentiert das Wappen des Königreichs Bayern. Zusammen mit der darunter befindlichen Firmenbezeichnung Steingraeber & Söhne ist dies ein Hinweis auf den Besitzerwechsel. Denn 1871 erwarb der erfolgreiche Klavierbauer und Urahn Eduard Steingraeber das barocke Liebhardt‘sche Palais in der Friedrichstraße 2 als Firmensitz und seine Fabrik war inzwischen zu einer Königlich-Bayerischen Hof-Pianoforte-Flügelfabrik avanciert. Die seitlich der Schriftzeile Steingraeber & Söhne angebrachten Wappen, links für Sachsen und rechts für Sachsen-Anhalt, zeigen, dass die Firma auch dort Hoflieferant war

Familientradition Steingraeber & Söhne

Eduard Steingraeber, schon in der 2. Generation Klavierbauer, betreute 1846 in Wien die Konzertflügel von Franz Liszt, gründete 1852 in Bayreuth seine Pianofortefabrik, modernisierte danach den Klavierbau und holte sich damit 1867 in Paris eine Goldmedaille. Franz Liszt war im Salon des Steingraeber-Hauses oft zu Gast und spielte dort zusammen mit Freunden. 1872 lernte Eduard Steingraeber Richard Wagner kennen und seit 1876 war die Firma auch Festspiel-Lieferant. 1881 baute man für den Parsifal das Gralsglocken-Klavier, das bis 1981 zum Einsatz kam. Udo Schmidt-Steingraeber, seit 1980 Firmenchef, erweiterte die Konzertflügelproduktion in der Manufaktur an der Dammallee und pflegt weltweite Kontakte im Klavierbau – inzwischen unterstützt von Sohn Alban und Tochter Fanny Steingraeber (und natürlich von Ehefrau und Juristin Delia Schmidt-Steingraeber).

www.steingraeber.de

Text: Karla Fohrbeck
Fotos: Karla Fohrbeck, Steingraeber & Söhne

Kulturveranstalter Steingraeber & Söhne

Steingraeber & Söhne sind für das Kulturleben und das Kulturimage der Stadt aber nicht nur als eine der wenigen Klavierbauerfirmen auf der Welt und als Besitzer des denkmalgeschützten Barockpalais wichtig, sondern vor allem auch als private Veranstalter von rund 70 Kulturereignissen mit renommierten Künstlern im Jahr, die das Steingraeber-Areal beleben. Führungen in der Klavier-Manufaktur, Garten-Vernissagen, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen, Gesang, Piano auf dem Lisztflügel oder junge Meisterpianisten im modernen Kammermusiksaal – zumeist auch Gelegenheiten, den meisterlichen Decken-Dekor von Hofstukkateur Giovanni Battista Pedrozzi im Rokokosaal und den beiden Nebenkabinetten, auch im Erdgeschoss zu bewundern (u.a. zu den Themen Naturgottheiten und Jahreszeiten-Allegorien). Der Blick durchs Hoftor zeigt im Sommer die Bühne mit dem in der Festspielzeit zur guten Tradition gewordenen Richard Wagner-Kontrastprogramm der örtlichen Studiobühne.

www.steingraeber.de/veranstaltungen

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