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BAROCKE  JAGDSCHLÖSSER & FORSTHÄUSER

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Bayreuth – Jagdschloss Thiergarten

Ein „Thiergarten“ mit Lustschloss ­
schon im 17. Jh.

Dieser „Thiergarten“ war anfangs nur einer von mehreren „Thiergärten“ rund um Bayreuth und – zusammen mit dem späteren Jagdschloss im Süden – etwa 150 Jahre lang Jagd- und Ausflugsziel für eine Reihe von Markgrafen und 5 km vom Stadtzentrum entfernt.

Markgraf Christian (1581/1603-1655) hat das Jagdareal – kurz nachdem er die Residenz von der Plassenburg in Kulmbach ins Alte Schloss nach Bayreuth verlegt hatte – wohl schon 1606 einzäunen lassen. Anfangs gab es sicher auch eine einfache Unterkunft, die aber später nicht mehr „standesgemäß“ und bequem genug auch für Gäste des Hofes war. Natürlich war die Gegend nicht ganz unbewohnt. Bereits um 1390 ist die Ortslage unter dem Namen „Breitengraß“ im Landbuch des Landschreibers Pfarrer Paul aus Kasendorf erwähnt. Der Weiler bestand im 17. Jahrhundert aus einem Bauernhof, einem „Söldengut“, einem Jägerhaus mit „Wirtschaftsgerechtigkeit“, einer Schmiede und einer Ziegelhütte. Nach dem Dreißigjährigen Krieg jedoch blieb der Ort unbewohnt und verfiel.

Markgraf Christian Ernst (1644/1661-1712) wollte das Jagdrevier mit seinen Weihern und den Stallungen zwischen 1671 und 1702 schon prominenter gestalten und zu einem barocken Jagdgarten ausbauen. Er ließ es mit einer Mauer und dem „Bayreuther Tor“ sowie fünf weiteren Toren versehen. Das Hauptportal wurde von Hofbildhauer Elias Räntz (der auch den Markgrafenbrunnen und die Figuren am Alten Schloss schuf) besonders prächtig gestaltet: Über dem Tor Hubertus als Jagdpatron – mit Jagdhorn und Saufeder, Jagdhund zu Füßen – rechts und links Hirsche mit angeblich echten Geweihen. Das repräsentative Tor war extrem hoch und wurde von den markgräflichen Wappen von Christian Ernst (Hohenzollern) und Sophie Luisa (Württemberg) geziert.

1676 beauftragte der Markgraf seinen Fürstlichen Hofbaumeister Elias Gedeler, auf der kleinen Anhöhe eine sternförmige Jagdanlage und in deren Mitte ein Jagdschloss zu errichten, dessen „uff 280 fl. getroffene Geding aus der hochfürstlichen Schatull“ bezahlt werden sollten – also aus dem Markgräflichen Privatvermögen. 1685 entwarf sein fürstlicher Oberbaumeister Charle Philippe Dieussart neue Pläne zu einem „Lusthaus im Thiergarten“, das 16 teilweise stuckierte Gemächer haben sollte, also kein kleines Vorhaben – realisiert wurde es nicht.

 

Jagdfreuden unter Markgraf Georg Wilhelm

Auch das Jagdschloss in der uns heute bekannten Form wurde aus der fürstlichen Privatschatulle finanziert. Mit dem turmförmigen achteckigen Kuppelbau und zwei trapezförmigen Seitenflügeln entstand es 1715-1721 nach Plänen von Hofbaudirektor Johann David Räntz unter Markgraf Georg Wilhelm (1678/1712-1726), der den Vorgängerbau abreißen ließ. Dieser hatte 1705 den „Ordre de la sincérité“ (der Aufrichtigkeit) für die zerstrittene Adelsgesellschaft gestiftet, der später zum Roten Adler-Orden umgewandelt wurde. Der Bau war daher ursprünglich in Form des Ordenskreuzes mit vier solchen Trapezflügeln geplant, blieb aber Torso. Zwei (reduzierte) Flügel entstanden – und zwei Tore im oktogonalen Turm da, wo sonst die anderen beiden Flügel angesetzt hätten.

Der achteckige Ordenssaal ist der kleinste der vier Rote Adler-Säle von Markgraf Georg Wilhelm. Die anderen befinden sich in den Schlössern von Himmelkron (1712), der Eremitage (Marmorsaal, 1719) und St. Georgen (um 1725). Über beiden Portalen waren allegorischen Figurenpaare (männlich-weiblich) von Hofbildhauer Johann David Räntz angebracht, ähnlich denen im Innenhof des Alten Schlosses in der Eremitage – erhalten sind sie, und das auch nicht mehr vollständig, nur am Nordportal.

Hofstukkateur Andrea Domenico Cadenazzi schuf den reichen Stuck im zweigeschossigen Oktogon und das zentrierte Monogramm des Erbauers unter der Kuppel GWMZB (Georg Wilhelm Markgraf zu Brandenburg). Über dem Kranzgesims sind in den Reliefs der Kartuschen Jagdwild und Jagdembleme dargestellt. Dieser Saal hatte Galerien und Logen für die Musiker, wenn es Feste oder Bälle gab. Von dort oben konnten die Jagdgäste aber auch die im Parterre aufgereihte Jagdbeute besichtigen, den Erfolg der Eingestellten oder Deutschen Jagd, bei der das Wild zwischen aufgehängten Tüchern oder Tuchlappen vor die Flinten der Honorationen getrieben wurde. Die Wände waren daher mit Hirschgeweihen mit Angaben zum Jäger und dem geschossenen Tier geschmückt.

Im Thiergarten wurden vor allem Damhirsche gehegt und gejagt, vorzüglich die mit kapitalen Geweihen. Berühmt war der 45 Tagwerk Land umfassende Fasanengarten. Überliefert ist, dass damals auch große Parforcejagden abgehalten und Bären und Wölfe lebend gefangen wurden. Zum Schloss gehörte noch ein Wirtschaftsgebäude und etwa einen Kilometer abseits ließ der Markgraf im Tal des Tappert eine Stallung und ein Forsthaus errichten. Sie bildeten die Keimzelle des heutigen Bayreuther Ortsteils (Unter)Thiergarten, seit 1976 eingemeindet.

Verfall im 18. Jh. …

Markgraf Friedrich (1711/1735-1763) ließ zwar in den 40er und 50er Jahren seiner Regierungszeit die Friedrichstraße als Prachtstraße ausbauen und konnte daher vom Reitstall (heute Stadthalle) und den Marställen aus (späterer Geißmarkt) im Paradeschritt zum 1753 errichteten Friedrichstor und dann geradeaus im Galopp und Trab über die Moritzhöfe und Gut Birken nach Thiergarten reiten. Er fügte auch eine Stuterei hinzu, so dass die Pferdefohlen mit dem Damwild zusammen weideten. Aber er hatte ja große Auswahl an Jagdrevieren und mit der Zeit wurden ihm die Eremitage, Zwernitz-Sanspareil und vor allem das wildreiche Fichtelgebirge um Kaiserhammer herum bedeutender. Thiergarten verlor an Attraktion.

Friedenskultur ist zwar nicht so teuer wie Krieg, aber Schuldenberge entstehen auch da. Markgraf Friedrich Christian (1708/1763-1769) war schon aus Sparsamkeitsgründen nicht mehr am Luxus von Jagdschlössern interessiert. Er hatte aber auch persönlich kein Interesse an der Jagd. Ihm taten die Tiere leid und er hielt die ganze Schloss- und Thiergarten-Anlage „für eine recht überflüssige Sache, die nur unnötiges Geld koste.“

Markgraf Alexander (1736/1769-1791), der die Region von Ansbach aus verwaltete und durchaus neue Akzente setzte – wie den Aufbau von Bad Alexandersbad – machte bald nach seiner Regierungs­übernahme mit Thiergarten kurzen Prozess. Das Schloss wurde „mit seiner kostbaren Einfassung verwüstet, das Holzwerk nach Klafter verkauft, die Steine wurden nach und nach weggefahren, die Hirschgeweihe vom Hauptportal weggenommen, die Bildhauerei zerbrochen, die Tore eingerissen.“ Das Wild zerstreute sich, war aber nicht mehr gewohnt, selber für Nahrung zu sorgen und kam daher – fast zahm – bis an die Häuser der Bauern.

Eine Trophäe aber nahm er aus Thiergarten mit, sogar in sein Altersdomizil nach England (wo er 1806 starb) – den Hubertushirsch, einenVierzehnender, den Markgraf Georg Wilhelm noch selber erlegt hatte. Peter Rothenbücher entdeckte und kaufte ihn auf einer Londoner Auktion zurück und im ehemaligen Jagdschloss Birken kann er heute wieder besichtigt werden.

… und das „Auf und Ab“ bis heute

Im 19. Jh. kam das Jagdschloss in Privatbesitz, aber fürstliche Geldmittel fehlten. So wurde das Land in Parzellen verkauft. Wann der einstige Westflügel abgerissen wurde, ist nicht bekannt. Zuletzt war ein Bauer der Besitzer, aber ohne die nötigen Mittel. 1922 – ein Glücksfall – wurde Thiergarten durch die Bayreuther Fabrikanten­familie Bayerlein von Grund auf saniert und restauriert. Eine gewisse Blütezeit erlebte es bis ins 21. Jh. als Schlosshotel. Wer dort einst fürstlich übernachtete, als Festspielgast opulent speiste, Hochzeit feierte oder sonst „gute Tage erlebte“, kann sich an die wunderschönen Stuckzimmer mit Kachelöfen und Originalgemälden erinnern. Sie waren nach der Jagdgöttin Diana, nach Markgräfin Wilhelmine oder als „Großer Salon“ benannt und durch das Kaminzimmer zugänglich. Man durfte sich eben „wie bei Markgrafens fühlen“. Heute beherbergt das ehemalige barocke Jagdschloss als Internationale Schule, die 2016 staatlich anerkannt wurde, eine kleine Grundschule. Die Decken sind abgehängt, die Wände mit Schulmaterialien verstellt, die Bilder in Depots eingelagert bzw. verschollen. Für Kinder ist es allerdings ein sehr attraktives Umfeld. Das Schloss, von dem aus man immer noch eine schöne Aussicht hat, kann man daher im Allgemeinen nur von außen (oder nach Vereinbarung) besichtigen. Das ehemals markgräfliche Gutshaus Thiergarten ist heute Landgasthof.

* Die Zahlen in Klammern nennen Geburtsjahr und die jeweilige Regierungszeit

Info-Box

Kontakt:

Private Grundschule Schloss Thiergarten Bayreuth
International School Bayreuth gGmbH
Oberthiergärtner Straße 36
95448 Bayreuth

Telefon: 09209 / 918083-0
Telefax: 09209 / 918083-9
E-Mail: sekretariat@pgs-thiergarten.de

Private Internationale Schule Thiergarten:
https://www.pgs-thiergarten.de/

Prospekt deutsch:
http://www.bayreuth.de/wp-content/uploads/2015/05/rothenbuecher.pdf

Artikel „Thiergarten der Markgrafen“ aus dem Fränkischen Heimatboten von 1978
Artikel als PDF herunterladen

https://www.landgasthaus-thiergarten.net/

Text: Karla Fohrbeck
Fotos: Karla Fohrbeck, Franz Simon Meyer, Private Internationale Schule Thiergarten
Stiche: Helmut Haas (frei nach Stich von 1804), Wilfried Engelbrecht (Bayreuth 1753), Gemälde von Hans Schirmer