Opernhaus historisch

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Einweihung zur Hochzeit 1748

1748: Festliche Opernhaus­eröffnung

Die  Hochzeit der Tochter Elisabeth Friederike Sophie mit Herzog Karl Eugen von Württemberg.

Aufführung der Oper Aetius

Aufführung der Oper Artaxerxes

„Es war am 23. September des Jahres 1748, in der Regierungszeit des Markgrafen Friedrich und seiner geistvollen Gemahlin Sophie Wihelmine. Eben war das neue Opernhaus fertig geworden. Es hatte gar viele Mühe und große Kosten verursacht. Eine ganze Anzahl von Häusern diesseits und jenseits der Straße mußte gekauft und abgebrochen werden; denn das neue Gebäude hatte zwar nur 80 Fuß in der Breite, aber 270 Fuß in der Tiefe, und dazu mußte für das Anfahren der Equipagen auch auf der Seite der Stadtmauer ein freier Platz geschaffen werden. Schon geraume Zeit stand nun die vornehme Fassade da, welche Saint Pierre dem neuen Bau gegeben hatte; das Innere aber hatte sich noch nicht erschlossen, und man erzählte Wunderdinge von der Pracht der Ausstattung: es sollte dergleichen in deutschen Landen mit Ausnahme von Dresden und Wien nicht mehr geben. Man wußte, daß die Markgräfin sich über den Erbauer Guiseppe Galli Bibiena in ihrem Kreise ganz entzückt geäußert und ihn reich beschenkt entlassen hatte. ln der Tat hat sie damals an ihren Bruder Friedrich den Großen geschrieben: ‚Bibiena hat in diesem Theater die Quintessenz des französischen und italienischen Geschmackes vereinigt, und man muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß er ein großer Mann in seiner Kunst ist.

Heute abend sollte nun die allgemeine Neugier gestillt werden; denn in das Programm der Festlichkeit zu Ehren der Eheschließung der Bayreuther Prinzessin Friederike Elisabeth mit Herzog Karl von Württemberg war auch eine Opernaufführung im neuen Theater aufgenommen. Da rollten denn die prächtigen Equipagen daher, und ihnen entstiegen die Hofdamen in großer Toilette und die Kavaliere in ihren silber- und goldstrotzenden Gewändern. Im geräumigen Vorplatze hatte eine Wache mit Musik Aufstellung genommen. Rechts war die Wohnung des Kastellans, links sah man Räume für den Hofkonditor, der mit seinen leckeren Gerichten die Herrschaften in den Pausen erfrischen sollte. Von der Vorhalle kam man wieder in einen breiten Vorraum, der – nach beiden Seiten sich verengend – den ganzen Zuschauerraum umgab, und von dort führte eine Türe in der Mitte in das Parterre, während man auf einer Treppe darüber in die Fürstenloge, auf Seitentreppen zu den übrigen Logen gelangte. Die Hofgesellschaft begab sich in das Parterre. Staunend sahen sie sich in dem goldstrahlenden Prunkraum um, Die Bühne selbst war mit einem prachtvollen Vorhange abgeschlossen, der den Streit Apolls, umgeben von den neun Musen, mit Pan darstellte, und den Bibiena selbst gemalt haben soll. —Wir können leider heute dieses Kunstwerk nicht mehr bewundern; denn Napoleon nahm bei seinem Aufenthalt mit der ihm eigenen Selbstverständlichkeit den Vorhang mit nach Paris, und beim Friedensschluß kam er in das Burgtheater in Wien, wo er heute noch in Tätigkeit sein soll. —

Doch nun zurück zum Jahre 1748. Eine Menge großer Lüster aus funkelndem Kristall und mit Wachslichtern besteckt, hing von der Decke herab, in ihrer Wirkung noch unterstützt von Wandleuchtern, die an den Pfeilern der ersten Loge angebracht waren. Der ganze Zuschauerraum war in hellblauer und weißer Marmorierung gehalten, wovon sich die reichen vergoldeten Schnitzereien blitzend abhoben. Neben der Bühne selbst befanden sich Logen für die diensttuenden Kammerfrauen, und zwischen zwei mächtigen Säulen, dem Publikum zugekehrt, die beiden sogenannten Trompeterlogen. Die übrigen Logen zogen sich im Halbkreis um das Parterre, Die jetzige Parterregalerie füllte sich mit den Pagen und ihren Hofmeistern, und in der Loge ersten Ranges nahmen die Kollegialräte mit ihren Frauen Platz. Dagegen wurde die so außerordentlich prunkvolle Fürstenloge von dem Markgrafen und der Markgräfin nur äußerst selten benutzt, von letzterer nur, wenn sie unpäßlich war und sich den Blicken der Menge entziehen wollte. Heute zierten diese Loge Hofdamen älteren Semesters und einige Gäste von Rang, die sich nicht zeigen wollten. Die übrigen Logen waren für das Bayreuther Publikum freigegeben.

Die Hofgesellschaft selbst hatte ihren Platz im Parterre. Dort befanden sich viele mit Tuch ausgeschlagene Bänke, die so aufgestellt waren, daß ringsherum und mittendurch ein Gang nach dem Orchester freiblieb. Mitten vor der ersten Reihe standen mit himmelblauem Samt ausgeschlagene, reich vergoldete Sessel für das Markgrafenpaar und seine Gäste. Die Bänke reichten freilich im allgemeinen nur für die Damen des Hofes, deren weite Reifröcke gar nicht recht Platz fanden, so daß sie beinahe übereinander geschlichtet werden mußten. Für die Herren blieben im günstigsten Falle die letzten Bänke; außerdem mußten sie der Aufführung hinter den Bänken oder an der Brüstung des Orchesters stehend beiwohnen, was zwar ein hübsches malerisches Bild gab, aber von den Beteiligten als sehr unbequem empfunden wurde. Nun ertönte Musik und Trommelwirbel in der Vorhalle, das Zeichen, daß die höchsten Herrschaften das Theater betraten, und auf den beiden Altanen neben der Bühne erschienen reichgekleidete Trompeter, welche Willkommfanfaren in den Zuschauerraum schmetterten. Alles erhob sich, um mit tiefer Verbeugung das Markgrafenpaar zu begrüßen, das huldvoll nach allen Seiten grüßend, mit seinen Gästen durch das Parterre schritt und auf den bereitgestellten Sesseln Platz nahm. I. . ‚I

Der Markgraf hielt es nicht lange auf seinem Sitze aus. An die Brüstung des Orchesters gelehnt und mit seinen Kavalieren plaudernd, gab er das Zeichen zum Beginn. Die Oper, welche für diesen Abend besonders komponiert und eingeübt worden war, hieß Ezio (Aetius). Wer den Text hierzu geliefert hat, wissen wir nicht; aber die Musik hat wahrscheinlich der Dresdener Hofkapellmeister Joh. Adolf Hasse geschrieben, der kurz vorher mit seiner Frau, der berühmten Sängerin Faustina Hasse in Bayreuth zu Besuch am Hofe gewesen war und dort in hohen Ehren stand. Da sich das Textbuch (ital. , franz., deutsch) in der Universitätsbibliothek zu Erlangen befindet, sind wir über den Inhalt genau unterrichtet. Er ist kurz folgender: Der römische Feldherr Aetius kehrt nach seinem Siege über Attila auf den katalaunischen Feldern ruhmgekrönt nach Rom zurück. Dort erwartet ihn seine Braut Fulvia, um deren Gunst sich auch der Kaiser Valentinian bewirbt. Dies benützt der Obrist der Leibwache Maximus, der Vater der Fulvia, dessen Gattin Valentinian zu verführen gesucht hatte, um Aetius zum Aufruhr gegen den Kaiser zu bewegen, und da dieser, obwohl er fürchten muß, seine heißgeliebte Braut zu verlieren, trotzdem treu bleibt, so klagt er ihn bei Valentinian des Verrates an. Der Kaiser neigt an und für sich zu Argwohn, und als nun auf Anstiften des Maximus ein Attentat auf ihn verübt wird, da läßt er Aetius ins Gefängnis werfen und gibt den Befehl, ihn dort zu erdolchen. Maximus aber weiß das Volk durch die Nachricht, daß der siegreiche Feldherr in Haft, ja vielleicht schon getötet sei, zu wildem Aufruhr zu erregen. Sie stürmen das Kapitol, es kommt zum Kampfe mit Valentinian und seinen Soldaten. Schon geht es dem Kaiser ans Leben, da erscheint — Aetius. Der Tribun Varus, der Aetius ermorden sollte, ist sein Freund und hat den Befehl nicht vollzogen. Mittlerweile hat sich durch das Geständnis des sterbenden Attentäters Emilius die Schuld des Maximus und damit die Unschuld des Aetius herausgestellt. Der Kaiser führt nun reuhevoll Fulvia selbst ihrem Geliebten zu, Maximus sagt , ‚Die Hölle steht vernichtet!“ Alles sinkt sich gerührt in die Arme.

Wir können uns jetzt kaum mehr einen Begriff davon machen, mit welch fabelhafter Pracht damals diese an und für sich einfachen Stücke ausgestattet wurden. Nicht umsonst war die Bühne des neuen Opernhauses so groß angelegt — sie ist jetzt noch eine der größten Deutschlands — und von der Rückseite führte eine Art Brücke vom Hofe zu ihr, so daß man mit leichter Mühe Wagen und Pferde auf die Bühne bringen konnte. Da zogen denn Reiterabteilungen, schwergerüstetes römisches Fußvolk, der Wagen des Triumphators usw. herein, vom jubelnden Volke begrüßt. Dann wieder sah man ganze Schwärme von Najaden und anderen  Märchengestalten in Zaubergarten mit sprudelnden Fontänen und prächtige Ausblicke auf Rom.

Dazu hatte Bibiena ein äußerst sinnreiches Maschinenwerk sowohl über als auch unter der Bühne eingebaut, wodurch nur vier Zimmerleute mit einigen Handgriffen imstande waren, im Augenblick die ganze Szenerie zu verändern, ja große Lasten, wie auch einzelne Menschen aus der Höhe herabzulassen oder hinaufzuziehen. Carlo Bibiena, der Sohn des Giuseppe, leitete diesen Teil der Aufführung. —

Welch große Summen in dieser Beziehung ausgegeben wurden, erscheint uns beinahe unglaublich. In Wien und Dresden sollen gelegentlich solcher Aufführungen 400 000 Taler für die Ausstattung aufgewandt worden sein. Auch in Bayreuth gab man sehr große Summen dafür aus, sodaß Friedrich der Große bei seinem zweiten Besuche in Bayreuth einmal kopfschüttelnd das Theater verlassen haben soll.

Die höchsten Herrschaften, sowie das gesamte Publikum folgte mit großer Spannung der Handlung des Ezio. Der Markgraf selbst gab hochbefriedigt das Zeichen zum Beifall: besonders aber die Markgräfin war mit ganzer Seele bei der Aufführung. Ihr sonst so bleiches Gesicht glühte vor Aufregung, und ihre großen, lebhaften Augen blitzten. Sie fühlte sich so glücklich! Nun hatte sie in dem neuen Opernhause einen kostbaren Rahmen für die von ihr so geliebten Festspiele gefunden, von denen sie ja selbst gerne welche verfaßte.“