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MARKGRAFENKIRCHEN

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Kulmbach – Spitalkirche
Heilig Geist

Dieses „architektonische Schmuckstück der Stadt“ wurde 1738-1739 unter Markgraf Friedrich (1735-1763) neu erbaut. Vorgängerin war eine um 1470 errichtete Elisabethen-Kapelle, die 1528 unter Georg dem Frommen evangelisch wurde, im Krieg 1553 zerstört und kurz danach wieder aufgebaut. In der verwinkelten Altstadt ist sie in nur wenigen Schritten vom zentralen Parkplatz aus zu erreichen. Die Kirche fällt durch ihre schönen Proportionen, den 43 m hohen Turm und die prächtigen Portale an der Nord- und Südseite auf. Sie ist ein beliebter Ort für kirchenmusikalische Aufführungen, aber ansonsten nur sonntags zum Gottesdienst geöffnet. Einen direkten Zugang gibt es auch vom idyllisch gelegenen Seniorenwohnheim nebenan, dessen Eigentümerin ebenfalls die Bürgerhospitalstiftung der Stadt Kulmbach ist.

Dem Dreij-Einigen Gott zu Ehren…

unter höchstgesegneter Regierung des Durchlauchtigsten Fürsten…so ist es über dem Portal auf der Rückseite der Hospitalkirche zu lesen, die damals „dem Einfall nahe“ war.   Der spätere Stadt- und Ratsmaurermeister Johann Georg Hoffmann, damals 32 Jahre alt, „setzte sich hier selbst ein Denkmal“ (Helmuth Meißner). Da er aber keine zeichnerische oder gar europäische Architektenausbildung hatte, blieb er unter „Begutachtung“ von Hofarchitekt Johann Friedrich Jakob Grael, nach dessen Riss er (allerdings erst 1749) auch den dreistöckigen Turm mit seinen dorischen, ionischen und korinthischen Säulen baute. Baumeister Hoffmann war später auch mit den Entwürfen und der Bauausführung der Markgrafenkirchen u.a. in Trebgast, Nemmersdorf und Neudrossenfeld befasst, prägte also diesen Stil entscheidend mit.

Info-Box

Pfarramt:
Evang.-Luth. Kirchengemeinde Kulmbach-Petrikriche
Huthergasse 8
95326 Kulmbach
Tel. 092 21/92 15 40
pfarramt.petrikirche-kulmbach@elkb.de
http://www.kulmbach-petrikirche.de/spitalkirche.htm

Gottesdienst am Sonntag 
im Sommer um 09:00 Uhr, im Winter um 9:30 Uhr

Weitere entdeckenswerte Orte in Kulmbach:

Ein Klick auf die Bilder stoppt & vergrößert diese.

Der Kanzel-Orgel-Altar

Durch diese typisch protestantische Konstruktion wurden Abendmahl, Wortverkündigung und Lobpreis vereint. Der Pfarrer war von allen Seiten gut zu sehen und die Kanzelpredigt zu hören. Die ursprüngliche Anordnung von 1739 war auch bis 1885 in Gebrauch, wurde jedoch zerstört, als den Katholiken ein Mitbenutzungsrecht zustand.
Bei der Renovierung 1968-72 wurde die Kanzelwand unter dem Triumphbogen in vereinfachter Form rekonstruiert, die Kanzel um die 4 Evangelisten und einen Christus-Salvator bereichert (kleine Schnitzfiguren auf Konsolen) und die fünfteilige Orgel mit ihren drei Türmen im Turmchor platziert. Und das einstige Gestühl wurde bei dieser Gelegenheit durch bequemere Stühle ersetzt.
Das saalartige Langhaus mit seinen drei Achsen hat aber noch mehr zu bieten.

Klöppel-Stuck & Himmelfahrt an der Decke …

Das Deckengemälde mit der Himmelfahrt Jesu Christi und den 11 Jüngern (ohne Judas) im oblongen Hauptfeld greift die zentrale christliche Hoffnungsbotschaft auf, wie wir sie auch in den Markgrafenkirchen von Neudrossenfeld und Bindlach bewundern dürfen. Jesus zeigt mit einer Hand nach oben in die Herrlichkeit Gottes, mit der anderen nach unten – „Siehe, ich bin bei Euch alle Tage bis an der Welt Ende“. Für die Jünger ist er nicht mehr zu sehen, da schon durch Wolken verdeckt. Aber direkt unter ihm wiederholt einer seiner Jünger genau diese Geste und also auch diese Botschaft, die Teil des Missions- und Taufbefehls ist.
210 Gulden berechnete damals der Kulmbacher Hofmaler Friedrich Müller für das Deckengemälde und die Brüstungsbilder an den Emporen.

Der handwerklich wunderbar gestaltete, zum Teil farbige Stuck konzentriert sich auf die Seiten und Ecken der Flachdecke mit ihrer breiten Kehlung. Er enthält figürliche Motive und Vögel sowie Stuckvorhänge, die wie geklöppelte Spitze wirken. In den Medaillons dazwischen entdecken wir halbfigurige Engel-Bilder. Der Name des Stukkateurs ist uns leider nicht überliefert.

… & Bildergalerie an den Doppelemporen

Aber für eine farbenreiche Innenausstattung war lange Jahre kein Geld vorhanden. Ebenso wie die Decke, die Kirchenbänke und der Altar konnten daher auch die Emporen erst 1774-1775 durch Stiftung eines großzügigen Spitalpfründner-Ehepaares bemalt und „ausgezieret“ werden. Eine köstliche Holztafel mit dem Brustbild der Eheleute Johann Conrad & Catharina Ott(ens) im seitlichen Eingangsbereich der Kirche gibt Hinweis auf dieses „Wunder“.

Die für Markgrafenkirchen typischen hölzernen Doppelemporen sind hier dreiseitig umlaufend und stehen auf marmorierten Säulen aus Gusseisen, die mit Volutenkapitellen geschmückt sind. Aber die für das 18. Jh. keineswegs mehr typischen Bemalungen verdanken wir dem Stifterehepaar, die zwar wohlhabende, aber einfache Bauersleute waren. Sie hielten die Tradition der biblia paupera in Ehren, der Bilderbibel-Emporen (oft auch Decken) des 16. und 17. Jh., die vor allem auch in Hospitalkirchen verbreitet war.

Man braucht eigentlich ein Fernglas, um die je 20 Darstellungen aus dem Alten Testament auf der oberen und denen aus dem Neuen Testament auf der unteren Empore studieren zu können, 4 weitere befinden sich im Eingangsbereich. Und es würde sich lohnen, auch mal ein Bilderbüchlein daraus zu machen – so köstlich, nachdenklich und einfallsreich sind die keineswegs „naiven“ Szenen gemalt. Ein Klick auf die Bilder vergrößert diese.

Bilder zum Alten Testament (Obere Empore)
Bilder zum Neuen Testament (Untere Empore)

Text & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck

Zu Kulmbach gehören auch die Kirchen im Markgrafenstil in den Ortsteilen Mangersreuth und Melkendorf, beide mit eigenem Eintrag.
Literaturhinweise:
  • Flyer zur Geschichte der Spitalkirche (liegt dort aus)
  • Alfred Schirmer: Bürgerhospitalkirche Kulmbach. Zulassungsarbeit Univ. Bayreuth. 1972/II
  • Helmuth Meißner: in Fränkische Heimat 11-1968
  • Ansonsten siehe die allgemeine Bibliographie zu den Markgrafenkirchen, in der viele der Kirchen auch einzeln behandelt werden, am Ende des Einleitungstextes zu den Markgrafenkirchen.