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barocke Prachtbauten & -Strassen

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Bayreuth – Friedrichstraße 14

Das Waisenhaus

Das erste (und einzige) repräsentative Gebäude in der Friedrichstraße, das schon in dem neuen einheitlichen Baustil unter Markgraf Georg Friedrich Karl (1688/1726-1735) errichtet wurde – dem Vater von Markgraf Friedrich und Schwiegervater von Markgräfin Wilhelmine -, war das einstige Waisenhaus. Es wurde 1732-1734 nach Plänen von Johann David Räntz d. Ä. (1690 – 1735) errichtet, der schon unter dem Vorgänger-Markgraf Georg Wilhelm Hofarchitekt war. Auf ihn gehen auch das Alte Schloss in der Eremitage und das Komödienhaus in der Münzgasse (später Synagoge) zurück. Er wurde nur 45 Jahre alt und am gleichen Tag begraben wie Markgraf Georg Friedrich Karl, am 26.5.1735.

Ein „Werk der Nächstenliebe“  . . .

Der breite Sandsteinquaderbau unterscheidet sich von der übrigen Häuserflucht vor allem durch den Dachreiter und die vorspringenden Risalite – auch durch die Relief-Skulpturen des Architekten-Bruders, Hofbildhauer Johann Gabriel Räntz (1597-1776) an der Fassade. Bauhistoriker Franz Simon Meyer ist diesen interessanten Details nachgegangen:
„. Über dem Nordportal befindet sich die Figurengruppe Frau mit Kindern für Barmherzigkeit und Caritas.
. Im Giebel sind zwei Frauen mit Kindern dargestellt, die mit ihren Attributen die Allegorien für Klugheit (Spiegel) und Gerechtigkeit (Kugel) verkörpern, hervorgehobene Eigenschaften von den Kindergärtnerinnen und Erzieherinnen des Waisenhauses.
. Die Bauinschrift in der Kartusche unter dem Fenster lautet: „PROVIDENTIA D. O. M. MUNI FICFNTIA PRINC. GEORG FRID: CAROLI AC LIBERALITATE FAVTORUM HOC CARITATIS OPVS MDCCXXXIII EXSTR.“ (Durch Vorsehung des Allmächtigen, Freigebigkeit des Fürsten Georg Fridrich Carl und Spendenfreudigkeit der Gönner (wurde) dieses Werk der Nächstenliebe erbaut. 1733)“.

. . .  in pietistischer Zucht

Der Fürst war überzeugter Pietist und holte sich aus Halle Johann Christoph Silchmüller als persönlichen Berater, Hofprediger und Superintendenten (entspricht heute einem Dekan) und beide wollten den verwahrlosten Straßenkindern ein Heim und eine christliche Erziehung nach dem Vorbild des berühmten Waisenhauses in Halle stiften. Silchmüller wurde Direktor. Etwa 20 arme Jungen und 10 Mädchen konnten anfangs aufgenommen werden und hatten keine materiellen Sorgen, bekamen Essen und Kleidung. Bald bekamen dort über 150 Kinder unentgeltlichen Unterricht. „Allerdings werden sie sehr streng erzogen. Scherze und Spielen waren nicht erlaubt“, so Sylvia Habermann in ihrem Cicerone. Für damalige Zeiten war diese Einrichtung dennoch fortschrittlich. Denn auch vermögende Bürgerfamilien baten um Aufnahme ihrer Kinder gegen Schulgeld. Es gab auch praktischen Unterricht in Haus- und Gartenarbeit, aber ebenso Gesangs­unterricht und Klavierstunden – nicht nur die „Arbeitslust“ wurde gefördert. Es gab einen Arzt, eine eigene Apotheke und sogar eine Buchdruckerei.

1768 wurde nach Plänen vom Leiter des Hofbauamtes Rudolf Heinrich Richter ein Dachreiter auf das lange Mansarddach mit den Gauben aufgesetzt. 1804 verlegte man das Gymnasium Christian Ernestinum hierher, das als Humanistisches Gymnasium bis 1966 dort sein Domizil hatte. Das Gebäude wurde 1970 völlig entkernt und Sitz des Staatlichen Gesundheitsamtes. Derzeit ist es Verwaltungsgebäude für die Polizei.

Text: Karla Fohrbeck
Fotos: Karla Fohrbeck, Eva Rundholz