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MARKGRAFENKIRCHEN

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WEIDENBERG –
St. Michael
am Gurtstein

Auch Kunst- und Kirchengeschichte ist immer noch ein wenig „Detektivgeschichte“, ob bei der Entdeckung neuer Archivquellen oder der Interpretation von Symbol-Bedeutungen. Außerdem laden Markgrafenkirchen als Gesamtkunstwerk wie in ihren Einzelobjekten zur Meditation ein. St. Michael hat einiges zu bieten. Gönnen Sie sich also etwas Muße, nehmen Sie Ihre Lupe (bzw. nutzen Sie den Mausklick) statt Fernglas und Sie werden in Text und Bild einiges mit neuen Augen sehen lernen.

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Es war einmal . . .  Baugeschichte im „Mittelalter“

Auf den Gurtstein, einer Felskuppe über dem Steinachtal mit Blick zum Fichtelgebirge, klettert man vom Obermarkt aus einige Treppen hoch. Im Zeitraffer erinnern wir an die einstige katholische Burg- und später Schlosskapelle der Ritter von Weidenberg, die hier schon seit etwa 1150 stand, an die Hussitenkriege 1430, in der sie zerstört wurde, an die erste gotische dreischiffige Pfarrkirche der Herren von Künsberg um 1460, an die Reformation 1528 im Markgraftum und dass Weidenberg 1529 protestantisch wird, an den Überfall der Kroatem1633, den Brand 1637 und überhaupt die schreckliche Zeit des 30jährigen Krieges und dass 1648, als wieder Frieden einzog, Wolf Ernst von Lindenfels das eingeäscherte Obere Schloss den Künsbergs abkauft, wiederherrichtet und ausbaut.

„Welches Haus, Rosenbühl genannt“. . . ,
so berichtet 1692 Magister Will aus Creußen in seinem Reisebericht durch „das teutsche Paradeiss . . .“  dem Erbprinzen Georg Wilhelm (später Markgraf zu Bayreuth)

. . . “die Güte Gottes dergestalt gesegnet, daß der hochadelige Erbauer mit seiner Frauen Eheliebsten, Ursula Amalia von Giech, 20 hochadelige Kinder darauf erzeuget, und inzwischen wohl soviel Rittergüter in der fichtelbergischen Gegend demselben abhängig gemacht, bis er den 20. Februar 1692 das Zeitliche mit dem Ewigen selig verwechselt“.

Und weiter zu Weidenberg: „Neben den beiden genannten Schlössern sind zu sehen die gewölbte und mit vielen Monumenten gezierte Pfarrkirche St. Michaelis, die Pfarr, Kaplanei und Schul, über 100 schöne Bürgerhäuser, die baufällige Gottesackerkapelle St. Stephan, die vor Zeiten ein Kloster gewesen sein soll“. . .

eine historische Momentaufnahme aus den „guten alten Zeiten“.

Info-Box

Evang.-Luth. Pfarramt Weidenberg
Gurtstein 13
95466 Weidenberg
Tel: 09278 264
weidenberg-evangelisch@t-online.de
weidenberg-evangelisch.de

Von April bis Oktober ist die Kirche täglich von 9-19 Uhr geöffnet, von November bis März von 9-16 Uhr. Am Kircheneingang liegt ein informativer Kirchenführer aus.

Lesen Sie auch unseren Beitrag zur Friedhofskirche St. Stephan, Weidenberg in der Rubrik Kirchen im Markgrafen-Stil.

Und ist noch heute . . .
Baugeschichte im 18. Jh.

Die trotz der imposanten Doppelemporen festlich-helle Saalkirche – mit 650 Plätzen, mit frühklassizistisch kombiniertem Kanzelaltar, Pfarrporträt-Galerie und 3 lohnenswerten Deckengemälden – ist so, wie wir sie heute betrachten, das Ergebnis mehrerer Bauetappen und einer Reihe späterer Renovierungen.

1713 wurde sie für baufällig erklärt. Das Consistorium in Bayreuth entscheidet sich nach langem Hin und Her 1717 für Abriss und Neuaufbau der Kirche St. Michael. Unter Markgraf Georg Wilhelm (1712-1726) beginnt noch im gleichen Jahr der Neubau des erweiterten Langhauses im Markgrafenstil. 1723 stockt der Bau wegen Geldmangels, was Bauschäden zur Folge hatte. Der Markgraf war Bauliebhaber, aber Bauanfragen lagen von mehreren Kirchengemeinden vor, u.a. auch aus Bindlach und Obernsees. Und Weidenberg hatte das Vorbild der Ordenskirche St. Georgen vor Augen.

Trotz Konkurrenz konnte immerhin das Langhaus fertiggestellt werden – samt kleiner Sakristei an der Nordseite, die 1729 noch einmal um einer Adelsloge willen (sozusagen privat und ohne markgräfliche Genehmigung) aufgestockt wurde. Diesem ritterlichen Streitfall widmet Tägert einige köstliche Seiten, hier aber nur ein Seitenschauplatz. Das meiste der wertvollen Innenausstattung jedenfalls stammt aus den Jahren 1725 bis 1735.

Die Purucker-Orgel von 1725

Neben Taufe, Abendmahl und Predigt gehört allgemein der Lobpreis zu den liturgischen „Hauptstücken“ der lutherischen Gottesdienstgestaltung. Die alte Orgel war jedoch in ähnlich desolatem Zustand wie die baufällige Kirche selbst, als der bisherige Vikar Johann Heinrich Böhner nach 10 Jahren Vikariat 1718 die 1. Pfarrstelle antrat. In seine Dienstzeit (er starb 1757) fallen Beginn und Fertigstellung des erneuerten Kirchenbaus 1717-1724. Mit seiner Gemeinde setzt er sich danach auch für eine neue Innenausstattung ein, wobei sein erstes Ziel eine neue Orgel ist (statt der quietschenden und desolaten alten). Diese gibt er in Marktleuthen bei der renommierten Orgelbauerfamilie Purucker in Auftrag: „Aus vorhandenem und neuem Pfeifenmaterial“ möge sie eine neue schaffen.

Der schöne dreiteilige Orgelprospekt im Rokokostil stammt vom Weidenberger Bildschnitzer Johann Christoph Möckel. Akanthus- und Gitterwerk bilden die beidseitigen Wangen. Und über dem Mittelturm erhebt sich die prächtige Kartusche mit Fürstenhut darüber und verschlungenem Monogramm GWMZB = Markgraf Georg Wilhelm Zu Brandenburg. Der „Gönner des Kirchenbaus“ starb aber 1726 und hat die feierliche Orgelweihe nicht mehr selbst erlebt.

1857 und 1870 wurden an der Orgel umfangreiche Reparaturen vorgenommen, 1995 wurde sie gründlich restauriert, so dass auch heute noch wesentliche Teile des alten Orgelwerkes erklingen.

Der Kanzelaltar von 1730 –
in Gold & Berliner Blau

In der früheren Forschung ging man davon aus, dass der Kanzelaltar in St. Michael erst um 1780 geschaffen wurde (Sitzmann, Gebessler). Inzwischen ist belegt, dass er im Kern ebenfalls schon zur Innenausstattung nach Fertigstellung des erneuerten Kirchenbaus in die Zeit um 1728-1730 gehört, also erheblich früher zu datieren ist. Taegert weist nicht zuletzt durch Vergleich mit dem älteren „Zwillingsaltar in Himmelkron“ nach, dass er zur frühklassizistischen Epoche des Markgrafenstils gehört und in der typischen Manier der berühmten Bildhauer- und Bildschnitzer-Werkstatt Elias Räntz gestaltet ist. Auch hier arbeiten Vater Elias und der ebenso begabte Sohn Johann Gabriel Räntz zusammen.

Während Johann Gabriel (1697-1776) vor allem die Gebälk-Architektur im Kanzelaufbau verantwortet, kommt die Meisterschaft des 80jährigen Elias (1649-1732) in den großen Figuren, dem Schnitzwerk von Säulenkapitellen, Lambreqins und seitlichen Vorhängen an der Kanzel sowie der imposanten Kartusche mit dem 22teiligen markgräflichen Wappen samt Fürstenhut vor dem Schalldeckel zum Ausdruck.

Belegt ist inzwischen auch, dass im Juni 1730 mit dem Bayreuther Hofmaler Johann Peter Langheinrich (1671-1731) ein Vertrag für die Bemalung des neuen Altars sowie des neuen Kirchengestühls für St. Michael geschlossen wurde. Das gewünschte Berliner Blau für die monochromen (bewusst nicht marmorierten) 4 Altarsäulen, den Säulenhintergrund und die Vorhänge war in dieser Fülle eine Seltenheit und schwer herzustellen.

Ebenso teuer und aufwendig war die üppige Glantzvergoldung am Altar, die manch heutiger nüchterner Protestant als „zu katholisch“ oder „vom Eigentlichen ablenkend“ empfinden mag, die aber einst nur dem „Reich, das nicht von dieser Welt ist“ vorbehalten war. Die Kosten dafür – im Fassmaler-Honorar enthalten – erstaunten Pfarrer Böhner, aber das Consistorium in Bayreuth als oberste Kirchenbehörde genehmigte sie. Bei der letzten Restaurierung (2012 abgeschlossen) wurde die Urfassung etwas abgemildert, v.a. durch helleres Blau und eine leichte Marmorierung der Altarsäulen.

. . . war einst auch Wandelaltar

Das gotische Kruzifix „on top“, im Auszug des Altars, ist um 1500 entstanden und stammt noch aus der ersten Kirche. Es wurde schon um 1730 in den Altaraufbau integriert und zwischen die beiden lebensgroßen Engel platziert. Die Evangelistensymbole und deren Namen in den Vierpässen sind jedoch neugotisch, spätes 19. Jh. Sie umgeben Jesus von oben (Lucas & der Stier), von rechts (Marcus & der Löwe), von links (Matheus & der Engel) – jeweils an den Kreuzenden – sowie zu seinen Füßen (Johannes & der Adler).

Als die während der Umbauzeit ausgelagerte Inneneinrichtung der Kirche nach 1771, also in den Jahren nach Fertigstellung des Erweiterungsbaus, wieder auf die angestammten Plätze verteilt wurde, war es für Hofarchitekt und Bauleiter Johann Gottlieb Riedel an der Zeit, das Evangelium des Kanzelaltars nicht mit dem Tod Jesu enden zu lassen, sondern – wie bei nahezu allen Markgrafenkirchen – mit dem Sieg Christi über den Tod und der Einheit des Auferstandenen mit Gott Vater und dem Heiligen Geist. Der wertvolle Kanzelaltar wurde daher im Kanzelauszug erweitert und mit dem Auge Gottes als Energie-, Bewusstseins- und Lichtzentrum mitten im goldenen Trinitäts-Dreieck und der golden explosiven Strahlen-Aura gekrönt.

Da in vielen Kirchen der Markgrafenzeit die sogenannte Wandelkommunion üblich war, spielt auch die Rückseite von Kanzelaltären eine Rolle. Beim Abendmahl stand der Pfarrer zumeist vor Taufstein und Altarmensa und teilte erst die Hostie aus (das Brot). Die Kirchgänger wandelten dann links um den Altar hinten herum, kauten bedächtig und konnten sich nachdenklich noch einmal der Vergänglichkeit des eigenen Lebens und der Bedeutung von Jesu Opfertod klar werden. Sie kamen dann rechts wieder in den offenen Altarraum, wo sie anschließend den Wein (das Blut) aus dem Kelch bekamen. „Dieses tut zu Meinem Gedächtnis“ – dafür nahm man sich etwas innere Zeit.

Roh und schlicht sind solche gezimmerten Rückwände. Hier hat man als tröstende und Hoffnungs-Botschaft 1591 das hölzerne Epitaph des Jobst von Künsberg mit dem Bild des Auferstandenen angebracht, allerdings 1657 auch den gekreuzigten Christus darüber noch einmal auf die Holzkreuzbalken aufgemalt – erst das Sterben, dann die Überwindung.

Ecclesia-Allegorien am Altar sind selten

Wir finden selten irgendwelche Allegorien in evangelischen Markgrafenkirchen. Als Verkörperung von Glaube, Hoffnung und Liebe können wir sie auf den Kanzelaltären von Creußen und Wirsberg, als betende und Bibel bzw. Kreuz haltende Frauengestalten in Nemmersdorf auffinden, sonst kaum. Figurale Paarbildungen am Altar wie Moses und Aaron oder Petrus und Paulus lassen sich dank tieferer Bedeutung natürlich auch als Allegorien „lesen“. In Weidenberg aber hat man Allegorien für die Kirche, die Ecclesia im Blickfeld.

Die beiden lebensgroßen Frauengestalten am Altar verkörpern – was man früher noch wusste – links die Ecclesia triumphans, die (jenseitige) „Gemeinschaft der Vollendeten (Kirche)“ mit den Attributen Krone des Lebens, Siegeskranz und Friedens-Palmzweig, und rechts die Ecclesia militans mit den Attributen Kelch und Kreuz (als „Waffe“) als diesseitige kirchliche Gemeinschaft, die noch gegen Leid, Sünde und Anfechtung zu kämpfen hat. Diese „Spiegelung“ ist heutzutage nicht mehr opportun, das „triumphans“ wird als zu anmaßend, das „militans“ angesichts zu häufigem historischen Missbrauchs als zu peinlich empfunden.

Dem biblischen Sinn nach sind beides – vor allem seelisch und geistig gesehen – individuelle innerliche Vorgänge, ein schmerzhafter Entwicklungs- und Transformationsprozess, in dem nur dem, der sich – in Christus Jesus – selber überwindet, die „Krone des (ewigen) Lebens“ winkt. Bis unsereins sich „vergolden“ lassen darf, bleiben wir also besser erst einmal auf dem „Weg der Wahrheit und des Lebens“.

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Drei reichverzierte Vortragekreuze  . . .

Vortragekreuze sind liturgische Kostbarkeiten und werden bei Beerdigungen, Osternachtsfeiern und Konfirmationen „vorgetragen“ und auch sonst in Ehren gehalten. Es gab nur wenige Werkstätten, die sie in klassischer Tradition und Qualität herstellen konnten. Alle drei Kreuze schmücken noch heute den Altarraum von St. Michael.

Das älteste stammt von 1680 (nach Taegert) bzw.um 1690 (nach Gebessler) und könnte vom damaligen, selbst aus einer Adelsfamilie stammenden Pfarrer angeschafft worden sein. Es wird Hans-Georg Brenck (1632-1697), dem letzten aus der renommierten Kulmbacher Bildschnitzerfamilie zugesprochen.

In der gleichen künstlerisch-handwerklichen Tradition sind auch die beiden anderen Vortragekreuze von 1735 und 1750 gefertigt – nach Fertigstellung des Altars. Ihre Anschaffung fällt noch in die Amtszeit von Pfarrer Böhner senior, der sie bei Johann Gabriel Räntz in Bayreuth in Auftrag gab. Auch hier bildet Christus am Kreuz die Mitte und Engelköpfe jeweils an den Kreuzenden bilden eine schützende Aura und weisen ihn „als zum Thron Gottes gehörend“ aus. Der Engel über dem Kreuz von 1735 trägt in seiner linken Hand den „Kelch des Heils“.

Weidenberg brennt – die Kirche nicht

1769 trat Markgraf Alexander aus Ansbach die Nachfolge im Markgraftum Bayreuth an. Schulden waren abzubauen und auf das Regenjahr 1770 folgten Missernten und 1971 Teuerung und Hungersnot im ganzen Land. Kein leichtes Amt also.

Da Weidenberg 1770 durch Brandstiftung und 1771 noch einmal ein „Raub der Flammen wurde“, setzte er als Bauleiter für den sofortigen Wiederaufbau des Obermarkts den erfahrenen markgräflichen Hofarchitekten Johann Gottlieb Riedel (1722-1791) ein. Der Markgraf war selber nach der Katastrophe vor Ort. Die Pläne wurden im Hofbauamt in Bayreuth ausgearbeitet, breitere Gassen angelegt und die großzügigen Sandsteinhäuser mit feuersicheren Ziegeln, Barockfassade und neuartiger Fensterschürzen-Ornamentik ausgestattet, wobei letztere zum Vorbild für die spätere regionale Bauernhauskultur wurde (Die Fensterschürzen sind ein eigenes Thema auf unserer Webseite Markgrafenkultur).

Aber St. Michael brannte nicht mit ab, wie lange behauptet oder vermutet wurde. Wie hätten sonst Altar, Bänke, Orgel und die Glocken all das schadlos überstehen können? Die Antwort: Sie waren in Sicherheit und ausgelagert, denn 1769 bis 1771 wurde der (auch ohne Brandursache desolate) Kirchenbau bis auf den Sockelbereich abgerissen und es entstand der wesentlich höhere barocke Langschiff-Neubau, wie wir ihn heute kennen. Das Feuer jedenfalls hatte den Gurtstein nicht erreicht.

MG Alexander hatte also in Weidenberg eine Mehrfach-Baustelle. An ihn als Bauherrn und großzügigen Patron, der Ort und Kirche auch mit Geldmitteln und Bauholz unterstützte, erinnern am Sandstein außen über dem Süd- bzw. Brautportal von St. Michael seine ineinander verschlungenen Initialen CFA = Christian Friedrich Carl Alexander samt Fürstenhut und der Jahreszahl 1770 in einer Rocaille-Kartusche. Die Innenausstattung zog sich bis 1781 hin. Und auch hier begegnen wir ihm, der bis 1791 regierte, noch einmal, unscheinbar und verborgen im mittleren Deckengemälde – aber dazu gleich mehr. Bei der Kircheneinweihung soll er dabei gewesen sein.

Pfarrer Johann Ludwig Böhner hinterließ uns bei seinem Tod 1783 die Kirche so, wie wir sie heute erleben – eine rechteckige Saalkirche von 2: 5 Achsen mit rundbogigen Hochfenstern und einem fünfgeschossigen Turm, der schon einige Jahrhundert Baugeschichte überstanden hat.

Wundervolle Deckengemälde . . .
mit MG Alexander als Engel

„Noch bis mindestens 1776 oder gar 1781 stehen mächtige Gerüste in der Kirche, so lange zieht sich die Innenrenovierung der Kirche hin“, imaginiert J-J. Tägert 2012 in seiner ausführlichen Ms.-Recherche. Und die brauchte es auch für einen Maler und seine Gehilfen bei der schwierigen Arbeit „in Öl auf Putz“ (und das in mehreren Schichten) in solcher Höhe und so dicht unter der riesigen Decke, die über dem Kranzgesims als Spiegelgewölbe ausgeführt ist. Drei zentrale Stationen aus dem Leben Jesu wurden thematisch auf drei Deckengemälde verteilt: Geburt Jesu im riesigen  Mittelfeld, Jesu Taufe im Jordan quer über der Orgel und Das Abendmahl quer über dem Kanzelaltar.

In einfacher „geschweifter Stuckrahmung“ zeigt das größte, das Haupt- und Mittelbild die Geburt Jesu mit der Anbetung der Hirten. In eine dunkle Welt wird Jesus hineingeboren. „Draußen vor der Tür“ liegt das Kind in der Krippe. Abweisend die Säulen der Paläste wie das strohbedeckte Stallgebäude. Aber die Tiere bleiben ihm nah. Der Esel links und der Ochs im Hintergrund, während Maria Hirt und Hirtin das Wunder zu erklären scheint, Josef rechts vom Kind dieses (indirekt) anbetet und andere Hirten mit einem Schaf zwischen sich die Bühne von rechts erst betreten.

Aber um das Jesuskind breitet sich helles Licht aus und erfüllt Krippe und untere Bildmitte. Und dieses Licht kommt von ganz oben und bricht sich durch die düsteren Wolkengebirge Bahn. Explosiver Glanz geht dort vom goldenen Trinitätsdreieck aus (Spitze nach oben), in das die hebräischen Buchstaben des Gottesnamens JHWH eingemalt sind. Kinder- und Verkündigungsengel verteilen sich auf den Wolken und blicken, so sie sich nicht unterhalten, auf das menschgewordene Wunder auf Erden.

Zwei Figuren aber blicken anbetend aufwärts, nicht zum Jesuskind. Wenn sie auf die Bilder klicken, diese stoppen und vergrößern, haben Sie den Lupeneffekt. Links im oberen Drittel erkennen Sie dann (mit etwas Phantasie) Markgraf Alexander in dem männlichen Engel. Verborgen ist er da für die Kirchenbesucher, aber Gott nahe sein will er. Wer die weibliche Gestalt links oberhalb von ihm ist, der die Flügel auch nicht so recht sitzen wollen, dazu gibt es keine Überlieferung.

Dass das Gemälde eine etwas trübe Farbgebung hat, schieben manche auf die „unsachgemäße Renovierung von 1896/1900“. Die gewollt perspektivische Komposition und gröbere Ausführung dieses doch recht spannenden „Meisterwerks“ lässt sich damit aber nicht erklären.

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. . . aber Deckengemälde ohne „Wunder“

In der Zeit von 1775 bis 1780 entstehen also die drei mächtigen Deckengemälde. Markgraf Alexander, der seit 1969 neben Ansbach nun auch für das Fürstentum Bayreuth verantwortlich ist, gibt sie selber –bzw. durch den (für den Erweiterungsbau der Kirche zuständigen) Hofarchitekt Johann Gottlieb Riedel – bei dem Hofmaler Wilhelm Ernst Wunder (1713-1787) in Auftrag, der den Stil vieler Markgrafenkirchen bisher geprägt hatte, 1770 noch in Bindlach und Obernsees, einst auch in der Hofarchitektur von Eremitage, Neuem Schloss und Opernhaus Bayreuth. Erst 1773 hatte der Markgraf ihn durch ein „gnädiges Dekret“ als Hofkommissär und „bauamtlich Bediensteter“ bestätigt.

Der in der markgräflichen Ikonografie sehr erfahrene Maler fertigte – das ist urkundlich belegt – auch die Skizzen an. Bis vor kurzem ging die Forschung daher stets davon aus, dass die Gemälde von W. E. Wunder stammen, obwohl ein Bildvergleich die auffallenden Unterschiede zwischen der ziemlich groben und dunklen Malerei hier und den durchgearbeiteten Figuren und transparenten Farbkompositionen bei Wunders anderen Deckengemälden rasch hätte deutlich machen können. Qualität hat eben ihren Preis.

Den Schlüssel lieferte mir dann beim Pilotprojekt zu den Markgrafenkirchen 2015 Hellmut J. Gebauer im AO-Band von 1996 (=Archiv für Oberfranken) mit seiner Monografie über W. E. Wunder und dem genauen Studium des damaligen Schriftwechsels zwischen diesem, den Superintendenten und dem Consistorium auf der einen, den sparsamen Pfarrern auf der anderen Seite, der sich über Jahre – ohne Erfolg für Wunder – hinzog. Pfarrer Böhner junior jedenfalls entzieht ihm, wie sich Wunder später schriftlich beim Superintendenten beklagt, nicht nur das Honorar dafür, sondern „durch eine List“ auch den Auftrag und lässt den wohl billigeren, noch jungen Hofmaler Johann Franz Gout (1748-1812) die Arbeit ausführen.

Es kann nun sehr wohl sein, dass Markgraf Alexander ihn, um dem Pfarrer entgegen zu kommen, selber vorgeschlagen hat, denn der noch wenig bekannte Gout (der in Bayreuth an der Kunstakademie von Markgraf Friedrich Schüler war) hatte 1771 in der Residenz Ansbach zusammen mit den Bayreuther Hofstukkateuren Krätzer und Albini an der Ausstattung der Galerie mitgewirkt, dort „die Fassungen und dekorativen Malereien“ besorgt und im Bilderkabinett das von ihm signierte „Deckengemälde mit Aurora und Kephalus“ nachträglich eingefügt – so in der Ansbacher Residenzbroschüre der Bayerischen Schlösserverwaltung bei Christoph Graf Pfeil nachzulesen.

Mit ziemlicher Sicherheit hat Gout jedoch die Zeichnungen von Wunder als Vorlagen genutzt. Dafür sprechen bestimmte ikonographische Details wie auch der Streit über die offensichtlich wertvollen Entwurfszeichnungen.

Hofmaler Johann Franz Gout (1748-1812)
Wilhelm Ernst Wunder (1713-1787) – Deckenbilder aus den Markgrafenkirchen in Obernsees (1770), Neudrossenfeld (1756/57) & Bindlach (1768-1782)
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Wie kommt ein Indianer an den Jordan? – Jesu Taufe

Im quergezogenen Dreipass-Stuckrahmen über der Orgel ist Jesu Taufe im Jordan zu sehen, im Pietismus des 18. Jh. ein Thema von zentraler Bedeutung. Es ist der Moment der inneren Wiedergeburt, in dem der Heilige Geist auf Jesus kommt und er zum Jesus Christus wird. Auf dem Gemälde kommt er als Taube herabgeflogen. Biblisch gehört Gott Vater mit in diese Szene, das wird hier aber höchstens angedeutet. Johannes der Täufer sitzt auf einem Felsen und begießt Jesus, der im Jordan steht (im lebendigen Wasser) auch von oben aus einer Art Muschel mit Taufwasser.

Die eherne Schlange des Alten Testamentes am Kupferstab ist nun „bildlich“ hinfällig geworden, wer zu ihr aufblickte, starb nicht. Aber nun heißt es „wörtlich“: „Wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Johannes 3,14f). Es geht ab jetzt nicht mehr um die individuelle Rettung des irdischen, sondern des ewigen Lebens.

In dieses Gemälde ist daher auch der spätere Missionsbefehl Jesu integriert „Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker. Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Matthäus 28,19). Und das ist des Rätsels Lösung, warum mitten „unter allerlei Volk“ und „ohne Ansehen der Person“ rechts oben auch ein Indianer im Ethnogewand und mit Jagdausrüstung auftaucht. Historisch ein enormer Sprung: Von der Stammes- zur Weltgesellschaft, vom hierarchischen zum egalitären Menschenbild.

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Jeder für sich und Einer für alle –
Das Abendmahl

Obwohl es auch auf der Predella, also über der Mensa (dem Abendmahlstisch) am Kanzelaltar schon ein Abendmahls-Bild gibt, wird dieses Thema im Decken-Dreipass-Pendant über dem Kanzelaltar noch einmal aufgegriffen. Es ist ein nachdenkliches Bild, denn beim Abendmahl sind wir zwar in Gemeinschaft mit anderen, aber letztlich doch jeder einzeln innerlich mit Gott, Seinem Geist und Christus verbunden.

Die Jünger sind hier (wie in der Antike üblich) um den Tisch gelagert. Abweichend von der sonst üblichen Symmetrie sind rechts 7, links 5 der Jünger angeordnet. Abweichend vom Üblichen beten hier alle, während sie sich sonst die Frage stellen, bin ich es, der dich verrät?  Nur Judas, der eigentliche Verräter, betet nicht, hält links im Vordergrund den Geldsäckel und wirkt innerlich abwesend.

Mittig unter einer Kuppel, deren Rotonde von Säulen getragen wird, und unter einer „trinitarischen Öllampe“ sitzt Jesus – von einer großen Lichtaura umgeben – fast einsam unter den im Gebet versunkenen Jüngern. Er hält das Brot in der linken Hand und weist mit der rechten nach oben. Hinter ihm ein weißer Leichentuch-Vorhang. Der Kelch und das zubereitete Lamm in einer Schüssel stehen noch unberührt vor ihm in der Tischmitte.

Bild-Epitaphe und Grabdenkmäler

Was es auch in anderen Markgrafenkirchen gelegentlich gibt, ist eine komplette Chronologie aller Pfarrer seit der Reformation 1728 im Markgraftum Bayreuth. Eine Besonderheit, die es in anderen Markgrafenkirchen kaum gibt, schon gar nicht in dieser Fülle, ist in St. Michael die Galerie der großen Pfarrer-Porträts aus dem 18.Jh. auf der 1. Empore unter der Orgel, der anderen sehenswerten Pfarr-Epitaph-Bilder und der gut erhaltenen Stein-Epitaphien von Geistlichen, Adeligen und Bürgern in und außerhalb der Kirche.

Dazu und zu den anderen sehenswerten Pfarr-Epitaph-Bilder und den gut erhaltenen Stein-Epitaphien von Geistlichen, Adeligen und Bürgern in und außerhalb der Kirche hat Erika Gstaiger, langjährige Mesnerin und Kirchenführerin in Weidenberg, eine wunderbar erzählte, bebilderte und recherchierte Präsentation erarbeitet, die Sie hier als pdf herunterladen können (2017-Erika-Gstaiger-Weidenberg-Epitaphien-Heft.pdf).

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. . . und allerlei sonstiges Equipment

. . . welches ich Ihnen ersparen werde, denn wir sind „ausgeufert“, weit über das im Schnitt genehmigte Wissenspensum der anderen Kirchen hinaus. Also erzählen wir weiter nichts mehr vom fünfgeschossigen Westturm, seinen 4 Glocken (von denen 2 seit 1738 läuten) oder den geschützten Fledermäusen, von den Doppelemporen auf mächtigen Holzsäulen und dem Balustergestühl, vom Streit um die Adelsloge derer von Lindenfels 1729, vom großen Öl-Porträt des „heiligen Luther“ unter der Treppe (in evangelischen Kirchen gibt es natürlich keine Heiligen), dem Sakristei(altar)schrank von 1784, von den Pfarrer- und Adelsgrüften, von den Renovierungen 1843, 1896ff, 1969 und der einen großen, die 2012 abgeschlossen wurde.

Wir atmen auf, erholen uns und fahren beim nächsten Mal mit dem Fernglas nach St. Michael auf dem Gurtstein.

Text & Fotos: Karla Fohrbeck

Literatur:

  • 1692. Magister Johann Will. Zu Weidenberg S.38 f in Das teutsche Paradeiss in dem vortrefflichn Fichtelberge.
  • 1896. Johann Michael Einfalt (damals Pfarrer in Weidenberg): Geschichte von Weidenberg
  • 1952. Evang.-Luth. Dekanat Bayreuth (Hg). Unser Bayreuther Kirchenbezirk
  • 1959. August Gebessler: Stadt und Landkreis Bayreuth
  • 1966. Joachim Kröll. Geschichte des Marktes Weidenberg
  • 1982. Helmuth Meißner: Katalog der Kanzelaltäre in Oberfranken
  • 1987. Helmuth Meißner: Kirchen mit Kanzelaltären in Bayern
  • 1989. Helmuth Meißner, Ingeborg Limmer. Franken. Die Region 5
  • 1993. Christoph von Knobelsdorff, Weidenberg. S. 143-150 in Evangelisch im Bayreuther Land. Porträt eines Dekanatsbezirks.
  • 1996. Hellmut J. Gebauer: „Hofcommissarius, Inspector der hochfürstlichen Malereyen und Cabinettsmahler Wilhelm Ernst Wunder“ in AO Bd. 76, S. 275-315 (zu Weidenberg S. 299-301 und Anm. S. 306)
  • 2012. Staatliches Bauamt Bayreuth. Weidenberg. Kurzbericht zum Abschluss der Generalsanierung
  • 2012. Jürgen-Joachim Taegert. St. Michael in Weidenberg- wie es keiner kennt. Auswertung & Interpretation neu untersuchter Dokumente zum Kirchbau durch die Jahrhunderte. Ms. 36 S. (er stützt sich u.a. auf Otto Heraths „Pfarrbeschreibung“ von 1913, neuere Archivforschung in landeskirchlichen Quellen und auf das, was die Heimatforscher Harald Stark und Norbert Sack im Landeskirchenarchiv in Nürnberg „aufgestöbert haben“).
  • 2015. Kirchenführer, Hg. Evang-luth. Kirchengemeinde St. Michael am Gurtstein.
  • 2015 Wikipedia 3 S. mit Chronologie, Pfarramt Weidenberg
  • 2017. Erika Gstaiger. Mit den Epitaphien durch die Geschichte von St. Michael (Evang.-lutherische Kirchengemeinde Weidenberg). 36 S. Im Schriftenregal von St. Michael erhältlich.