Entdecke
barocke Prachtbauten & -Strassen

Bayreuth – St. Georgen
Zuchthaus & Marmorfabrik
Markgraf Georg Wilhelm (1678/1712-1726)
eröffnete am Landtag 1713 den Landständen seinen Entschluss, ein Zuchthaus erbauen zu lassen. Die Ausführung verzögerte sich aber durch den Krieg am Rhein und andere Hindernisse. Erst 1724 konnte man den Platz kaufen und mit dem imposanten Bau für etwa 200 Gefangene beginnen. Die Bauarbeiten selbst wurden zum großen Teil von Häftlingen ausgeführt. Hofbaumeister Johann David Räntz (1690 – 1735) hatte die Bauleitung. 1725/26 konnten dann die ersten „Züchtlinge“ aufgenommen werden.
Für die Finanzierung kamen „die hochlöbliche Landschaft“ sowie das markgräfliche Oberforstamt (das Bauholz), die Gotteshäuser und Hospitäler des Markgraftums auf. Es wurden Sondersteuern erhoben, Bettelbriefe versandt und das Konsistorium sowie die Universität Wittenberg in dieses „Gott wohlgefällige“ Reformprojekt eines Zucht- und Arbeitshauses einbezogen. Um den Unterhalt zu finanzieren wurden eine General-Collecte und eine Lotterie veranstaltet. Da letztere aber manchen Einwohner aber auch süchtig und unglücklich machte, auch wieder eingestellt. Der Landtag stellte 4000 Gulden bereit.
MG Georg Friedrich Karl (1688/1726-1735)
konnte die imposante Anstalt aus glatten Sandstein-Quadersteinen – nach längeren Unterbrechungen – erst 1735 fertigstellen, die Finanzierung der letztlich benötigten 18.000 Gulden ließ auf sich warten.
mit Vorderhaus, zwei Seitengebäuden (für je die männlichen und weiblichen Gefangenen), Hof mit Brunnen und Anstaltskirche im Hintergebäude. Auch wenn es den einen oder anderen „Abschreckungs-Event“ gab, im 18. und noch im 19. Jh. galt diese Anstalt als vorbildlich. Die weiblichen Insassen arbeiteten in einer kleinen Baumwoll-Spinnerei. Die männlichen Sträflingen wurden in der angegliederten Marmorfabrik ausgebildet und beschäftigt. Der Ertrag half bald, den Unterhalt der Anstalt zu finanzieren. Der 1. Zuchthausverwalter Tropp machte selber dazu 1732 den Vorschlag, 1734 wurde dieser vom Markgraf akzeptiert und verwirklicht. Es gab 2 Maschinen oder Drehwerke für Produkte wie Tabatieren, Dosen, Tassen, Spiegelrahmen Tischplatten, Grabmäler und Statuen sowie eine 3., mit der abgerundete Sargplatten und Säulen für Altäre oder Denkmäler „auf sehr leichte Art in die Runde gebracht, abgeschliffen und polirt werden können“. Auch arbeiteten Gesellen und Lehrlinge von außerhalb mit in den Werkstätten, die in den Seitengebäuden des Zuchthauses untergebracht waren.
MG Friedrich (1711/1735-1763)
förderte die Fabrik ebenfalls und stattete sie 1736 mit besonderen Privilegien aus, so dass sie kaum Konkurrenz hatte, den Export steigern und sogar ins Ausland liefern konnte. Die Oberverwaltung hatte Hofkammerath Dornesi, der im 3. Stockwerk des Vorderhauses wohnte, unten wohnten die Zuchthaus-Bediensteten und im 1. Stock lagerten die In der Marmorgruft der Schlosskirche sind die Särge von ihm, MGin Wilhelmine und der Tochter Elisabeth Friederike Sophie aus dieser Produktion zu bewundern.
Herr Dornesi entwickelte weitere unternehmerische Qualitäten und initiierte daneben eine Glasschleif-Fabrik im Zuchthaus, in der Glas und vor allem Brillengläser geschliffen wurden. In seiner 3. Fabrik, einer ebenfalls sehr erfolgreichen Spielkarten-Fabrik, arbeiteten keine „Züchtlinge“. Die Fa war nur im Gebäudekomplex untergebracht und trug sich selbst, da sie deutsche, englische und französische Spielkarten in konkurrenzfähiger Qualität herstellte und bis nach Amerika exportierte.
Grausame Strafmethoden
Text
Arbeit macht nicht frei
Alle diese Einrichtungen überdauerten sogar das Ende des Markgraftums. Eine ausführliche Beschreibung liefert 1795 noch J.C.E. von Reiche, selber königlich-preußischer Offizier und um Präzision bemüht. Zu seiner Zeit waren 101 Gefangene dort, die aber menschenfreundlicher behandelt wurden als andernorts und auch bessere Verpflegung bekamen. Es ging schon lange nicht mehr um „die anfängliche Bestimmung, nemlich: die bösen Menschen durch Einsperrung und Züchtigung der Welt unschädlich zu machen.“
Reiche rühmt dann den Erfolg und die Qualität der 3 Manufakturen und listet sogar die 33 Marmorsteinbrüche in der Region mit ihren „vorzüglich schönen“ Qualitäten auf, die selbst die besten ausländischen übertreffen: „Auf ihren polirten Flächen sieht man die seltensten Figuren von Wirbel- und Schrauben-Schnecken, kleinen Fischchen, Insekten, Früchten und Blättern.“
Die heutige Justizvollzugsanstalt JVA
Seit gehört das Zuchthaus in der Markgrafenallee zur Justizvollzugsanstalt, die nur wenige Meter entfernt im ehemaligen Ordensschloss (Bernecker Str….) ihren Hauptsitz hat. Die JVA Bayreuth ist nach der JVA München-Stadelheim und der JVA Nürnberg die drittgrößte Justizvollzugsanstalt in Bayern.
Dem Zuchthaus gegenüber – hinter einer langen alten Sandsteinmauer, auf dem Gelände der einstigen Schlossparkanlagen, wird die Gefängnisgärtnerei betrieben.
-Geschichtswerkstatt Bayreuth (Herausgeber): Bayreuth umgeguckt und hinterfragt. Bumerang Verlag, Bayreuth, 1992 (darin: Gefängnis St. Georgen – Ehemaliges Zucht- und Arbeitshaus)
Die St. Georg-Figur als Steinrelief (170-140 cm) an der Mauer der Strafvollzugsanstalt in der Markgrafenallee wurde 1954 von einem Strafgefangenen hergestellt.
Textredaktion & Fotos: Dr. Karla Fohrbeck, 2023