Opernhaus historisch

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Route Historische Theater in Europa

Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth (1745-1748/1750) ist das einzige im ursprünglichen Zustand erhaltene Barocktheater in Europa und eines der hervorragendsten Denkmäler der Architektenfamilie Galli Bibiena, die bald 200 Jahre lang Maßstäbe für Theaterkunst setzte und den barocken Theaterbau zu seinem Höhepunkt führte. Das war die ausschlaggebende Begründung der Bayerischen Schlösserverwaltung für die Vorschlagsliste der Deutschen UNESCO-Kommission und entscheidend für …

Das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth ist nicht (wie gelegentlich zu lesen), ein Rokoko-Theater. Joseph Saint-Pierre hat als Architekt die Außenfassade im französischen Stil des klassizistischen Barock gestaltet, und der größte europäische Theaterarchitekt Giuseppe Galli Bibiena war zuständig für das italienische Barock in der opulenten Innengestaltung dieses Theaterbaus.

Historische Barock-Theater

Das bedeutendste noch bestehende Rokokotheater in Deutschland ist demgegenüber das Residenztheater in München, von François Cuvilliés d. Älteren geschaffen und wegen des geschnitzten Dekors in Rot, Gold und Weiß berühmt und jedem Besucher unvergesslich. Auf der Deutschlandstraße und den Europastraßen historischer Theater existieren aus dem 18. Jh. noch etliche sehenswerte Theaterbauten, die aber kleiner sind oder später entstanden oder nicht mehr diesen Originalzustand aufweisen können. Dazu gehören:

  • 1748/51 das Teatro Grande in Padua, Italien
  • 1752/1759 das Schlosstheater Caserta bei Neapel in Italien
  • 1752 das Schlosstheater in Schwetzingen
  • 1763/1769 das Schlosstheater in Potsdam
  • 1763 das Teatro Communale in Bologna, Italien
  • 1766 das Schlosstheater Böhmisch-Krumau in Tschechien
  • 1766 das Schlosstheater in Drottningholm, Schweden
  • 1766/1767 das Schlosstheater Schönbrunn bei Wien
  • 1767/1770 das Schlosstheater Versailles bei Paris
  • 1773/1780 das Grand Théatre in Bordeaux, Frankreich
  • 1773/1780 das Schlosstheater Gripsholm in Schweden
  • 1783 das ehemalige Fürstbischöfliche Theater in Passau
  • 1787 das Stadttheater in Koblenz
  • 1790/1792 das Teatro La Fenice in Venedig
  • 1730/1810 das Schlosstheater in Ludwigsburg bei Stuttgart

Bühnentechnik in Barocktheatern …

Baupläne der Bühnentechnik aus der Barockzeit sind nicht erhalten. Wahrscheinlich gab es auch keine. Die Theaterbaumeister, die häufig aus berühmten italienischen Familien stammten, vertrauten ihrer Erfahrung. So stellte die Familie Galli-Bibiena, der wir auch die Innenraum- und Bühnengestaltung des Markgräflichen Opernhauses in Bayreuth verdanken, über zwei Jahrhunderte hinweg die berühmtesten Theaterarchitekten. Andere bauten einfach darauf los und versuchten die auftauchenden Probleme spontan mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zu lösen. In der Barockzeit plante man für den Augenblick und nicht für die Ewigkeit. Auch wollten die Baumeister wohl nicht ihre Geheimnisse preisgeben, wollten ihre Wundermaschinen nicht entzaubern.

So war es dem Publikum des 17. und 18. Jahrhundert auch nicht möglich, „hinter die Kulissen zu blicken“. Es zeigte sich vielmehr, dass „die Mechanics des Maschinenwerks viel mehr als ein Geheimnis angesehen und also nicht jedem zu beschauen erlaubte ward, wie es Sturmen beim Pariser Opernhaus ergangen sei.“ Nicht einmal dem Theaterarchitekten Leonhard Christoph Sturm, der 1718 Schlosstheater und freistehende Theater besuchte und beschrieb, wurde es erlaubt, die Bühnentechnik der „Salle des Machines“ anzusehen und abzuzeichnen, worüber sich dieser bitter beklagte.

Die Karte zeigt die Theater der Deutschland-Route Historische Theater.

Info-Box

PERSPECTIV, die Gesellschaft der historischen Theater Europas,
fördert die Erhaltung, die Restaurierung und die angemessene
Nutzung historischer Theatergebäude und informiert die
Öffentlichkeit über historische Theater als besonderen Teil
unseres gemeinsamen europäischen Kulturerbes. Die Europäische
Route Historische Theater wird von PERSPECTIV zusammen
mit 15 Partnern in 12 Ländern aufgebaut.
Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.bayreuth-wilhelmine.de/deutsch/opernh/ERHT-Flyer_Deutschland-Route_2016.pdf
Informationen über alle Routen der Europäischen Route
Historische Theater finden Sie unter:
http://www.perspectiv-online.org/pages/de/europaeische-route.php

Historische Theater Deutschland-Route

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… und wo man sie noch erleben kann

Heute kann man die historische Bühnentechnik in einem knappen Dutzend von Opernhäusern in Europa besichtigen, teilweise ihren Zauber sogar in Inszenierungen erleben.

  • Regelmäßig bespielt wird im Sommer das Schlosstheater von Drottningholm (1766) in der Nähe von Stockholm. Die Maschinerie ist vollständig erhalten, ebenso ein großer Fundus an Dekorationen und Kostümen. Darauf aufbauend versucht man Barockopern möglichst authentisch zu inszenieren.
  • Das 70 km entfernt liegende Theater von Schloss Gripsholm (1781) wird nur noch sehr selten zu Konzerten genutzt und kann im Rahmen der Schlossbesichtigung besucht werden. In Deutschland haben drei Theater ihre Maschinerie erhalten.
  • Das Eckhof-Theater in Gotha wurde als einziges im 17. Jahrhundert erbaut (1681/82), die ältesten heute noch erhaltenen Originalteile der Maschinerie stammen aus dem Jahr 1775. Nach umfangreichen Restaurierungen finden im Sommer regelmäßig Aufführungen barocker Werke statt.
  • Das Ludwigsburger Schlosstheater (1758) verfügt über einen umfangreichen Fundus an Bühnendekorationen. Obwohl die Bühnentechnik nach aufwändigen und gründlichen Untersuchungen bestens – und teuer – restauriert wurde, wird sie leider nicht für Aufführungen genutzt, da sie nicht in das Konzept der jetzigen Festspielleitung passt.
  • Die Technik des Goethe-Theaters Bad Lauchstädt (1802) ist 1966 nach alten Plänen rekonstruiert worden. Das Theater hat sich einen guten Ruf erworben mit Inszenierungen, die Barockopern einem heutigen Publikum spannend und unterhaltsam präsentieren.
  • In einigen wenigen Theaterbauten in Italien (Teatro Comunale, Bologna 1763) sind noch Teile der barocken Bühnenmaschinerien  aus dem 18. Jahrhundert erhalten.
  • Das wunderschöne und intime Theater der Königin Marie-Antoinette im Park von Versailles  (1779) ist leider der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Da die Königin selbst in ihrem Theater auftrat und die katholische Kirche das Theaterspielen für Frauen verboten hatte, war das Theater wenig repräsentativ von außen als Fabrikgebäude „getarnt“. In der Opera Royal ist die Kulissenmaschinerie erhalten, sie ist aber nicht mehr funktionstüchtig und auch nicht mehr wiederherzustellen.
  • Sehr gut restauriert kann man das Schlosstheater in Ceský Krumlov (1766) erleben, – wenn man früh aufsteht. Sobald die Luftfeuchtigkeit eine bestimmte Marke überschritten hat, werden die Führungen an diesem Tag eingestellt. Oberste Maxime in Ceský Krumlov ist die Erhaltung des Theaters für die Nachwelt. Daher finden auch nur gelegentlich Aufführungen zu wissenschaftlichen Zwecken statt, in denen man Erkenntnisse zur barocken Aufführungspraxis erproben will. Bemerkenswert ist die umfangreiche Sammlung an Dekorationen, Kostümen und Requisiten.
  • Das zweite Theater in der Tschechischen Republik in Litomysl (1796/97) ist wesentlich kleiner. Die einfache Bühnentechnik wartet auf eine Restaurierung. Auch hier haben sich noch Bühnenbilder im Original erhalten. Josef Platzer, der Schöpfer der Dekorationen der Prager Uraufführung des Don Giovanni, hat diese Kulissen entworfen.
  • Auch im Warschauer Stanislawski-Theater (1788) und im Ostankino-Theater in Moskau sind wesentliche Teile der Obermaschinerie noch erhalten, die Untermaschinerien sind aber irreparabel verbaut. In beiden Theatern finden konzertante Aufführungen statt.

Text: Klaus-Dieter Reus