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Fensterschürzen in der Region

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Vorbilder Weidenberg 1770 – 1776

Die Weidenberger Bürgerhäuser des Obermarktes können als eigentliche Wegbereiter für die späteren Bauernhäuser mit Fensterschürzen angesehen werden und daher lohnt ein kleiner Rückblick, wie es dazu kam:

1745 verkaufte Carl Willibald von Lindenfels für 84 000 Gulden seine Güter und Lehen in und um Weidenberg an Markgraf Friedrich zu Brandenburg-Bayreuth. 1750 fiel nahezu der gesamte Ortsteil Untermarkt einem Feuer zum Opfer. Am 2. Oktober 1770 wurden weite Teile des Obermarkts mit seinen Holzhäusern ein Raub der Flammen. Die Kirche St. Michael wurde von dem Brand 1770 nicht erreicht. Sie stand seit 1769 im Bau, war also mit Gerüsten versehen und hatte vermutlich ein noch offenes Dach. Dadurch kamen die Gerüchte auf (auch in der Literatur), die Kirche sei ebenso ein Opfer der Flammen geworden. Richtig ist, dass sie 1771 äußerlich fertiggestellt wurde und damit ihr heutiges Aussehen erreichte.

Einem markgräflichen Erlass entsprechend wurden die Häuser am Obermarkt neu errichtet – diesmal aus Stein. Markgraf Carl Alexander war von 1769-1791 für die Region zuständig und ohnehin (wie auch sein Hofarchitekt Riedel) in Weidenberg mit dem Wiederaufbau der Kirche befasst, wovon auch sein Wappen an der Kirche zeugt. Er regierte aber seit der Wiedervereinigung der beiden Markgrafschaften Bayreuth und Ansbach von Ansbach aus. Jedoch hatte er u.a. in Bayreuth, Himmelkron und Bad Alexandersbad Nebenresidenzen. Und auch diesmal war er selber nach der Katastrophe vor Ort anwesend. Die Pläne zum sofort einsetzenden Wiederaufbau von Weidenberg erstellte das fürstliche Bauamt unter Leitung des erfahrenen Bauinspektors/Hofarchitekten Johann Gottlieb Riedel (1722-1791). Auch das Langhaus der Kirche wurde schon 1771 neu eingeweiht und gehört zu den sehenswerten Markgrafenkirchen in der Region.

Es entstanden geschlossene Straßenzüge und zweigeschossige Bürgerhäuser aus meist unverputzten Sandsteinquadern mit Fensterschürzen, auffallenden Türstürzen und Linienornamenten, teils mit Gurtgesims und Halbwalmdach. Wir finden (um einmal auch die Fachausdrücke zu gebrauchen):

Ein Klick auf die Bilder vergrößert diese.
  • Fenster mit profilierter, geohrter Rahmung und Quasten
  • verkröpfte Schluss-Steine
  • korbbogige Toreinfahrten mit Giebelvoluten
  • Ecklisenen und verzahnte Eckquaderung
  • Portale mit geschweiften Giebelsegmenten
  • stilisierte Fensterschürzen schon in größerer Formenvielfalt

Der feine, einheitlich gekörnte Sandstein wurde in den nahen Steinbrüchen von Hartmannreuth und Lessau gewonnen. Speziell der Obermarkt zeigt, wie die Barockfassadengliederung der Bayreuther Steinbauten übernommen und vervollkommnet wurde, ergänzt um weitere städtebauliche Ideen des Barock.

Von hier aus verbreitete sich dann auch die für das Bayreuther Umland später typische Fensterschürzenornamentik. Die Bürgerhäuser werden also zu Vorbildern für die späteren Bauernhäuser aus Sandstein, die allerdings erst etwa 25 Jahre später, d.h. ab 1796 im Bayreuther Umland nachweisbar sind, als es auch der Landbevölkerung wirtschaftlich besser ging.

Fotos: Karla Fohrbeck, Gerhard Trausch* und Fritz Angerer/Richard Zühlcke**
Text: Karla Fohrbeck

auf Basis der Häuserbeschreibung von August Gebessler in ders.: Stadt und Landkreis Bayreuth. 1959 sowie von Textauszügen aus Fritz Angerer, Richard Zühlcke: Phänomen Fensterschürzen. Schmuckformen an Bauernhäusern im Landkreis Bayreuth. 1995. Schriftenreihe Bd. 9 des Landkreises Bayreuth.